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Friesisch ist eine eigene Sprache. Es gehört wie das Deutsche zur westgermanischen Sprachenfamilie und ist mit dem Englischen, Niederdeutschen und Niederländischen verwandt. Friesisch gliedert sich in drei Sprachzweige:
Westfriesisch wird in der Provinz Friesland der Niederlande von etwa 450.000 Menschen beherrscht. Ostfriesisch ist in der niedersächsischen Region Ostfriesland schon lange ausgestorben, wird aber in der Gemeinde Saterland (Landkreis Cloppenburg) noch von annähernd 2.000 Menschen gesprochen. Nordfriesisch bringt es auf vielleicht 8.000 Sprecher; sie sind allerdings seit Jahrzehnten nicht mehr gezählt worden. Beheimatet ist Nordfriesisch im schleswig-holsteinischen Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland. Ebenso wie Saterfriesisch gehört Nordfriesisch zu den kleinsten Sprachen Europas.
Nordfriesisch umfasst zwei Dialektgruppen, das Festlands- und das Inselfriesische, die auf zwei Einwanderungswellen zurückgehen. Über Jahrhunderte war Friesisch in Nordfriesland die Alltagssprache in der Familie und der Dorfgemeinschaft. Es blieb lange auf den mündlichen Gebrauch beschränkt, denn Amts- und Handelssprache war in der Regel Niederdeutsch bzw. Hochdeutsch – Nordfriesen leben seit Jahrhunderten mehrsprachig.
Erst seit rund 200 Jahren wird Nordfriesisch regelmäßig auch als Schriftsprache genutzt und seit 1909 auch an Schulen im Sprachgebiet unterrichtet. Nordfriesisch studieren kann man an der Europa-Universität Flensburg und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Das Nordfriisk Instituut gibt Bücher auf Friesisch sowie Lehrmaterial zu den verschiedenen Dialekten heraus, es erforscht die Literaturgeschichte und beteiligt sich an weiteren Untersuchungen zur Sprache.
Antje Arfsten, Franziska Böhmer, Claas Riecken
Druck stärkt den Zusammenhalt – diese Binsenweisheit könnte auf die Friesen zutreffen. Ausgehend vom heutigen Ost- und Westfriesland haben sie in den letzten 2.000 Jahren unwirtliche Landschaften besiedelt. Sie waren oft weniger zum Festland als zur offenen See hin orientiert, dabei über viele Jahrhunderte auf Selbstorganisation vor Ort angewiesen und hatten mit Adelsherrschaft weniger zu tun. Sie mussten immer wieder extreme Brüche bewältigen, vor allem durch die wiederholten Sturmfluten und massiven Landverluste. Es gab eigene Rechtssysteme, die sich mancherorts bis in die Neuzeit gehalten haben, vergleichsweise wenig Krieg und niemals einen eigenen Staat. Migration war früh ein großes Thema, vor allem in Nordfriesland: Nach verheerenden Sturmfluten wurden in der Neuzeit verstärkt Niederländer als Experten für Deichtechnik ins Land geholt, während Nordfriesen sich auf niederländischen und dänischen Schiffen verdingten oder nach Übersee auswanderten. Im 19. Jahrhundert entstand eine „friesische Bewegung“, die bis heute prägend für das Selbstbild vieler Nordfriesen ist.
Historische Quellen, archäologische Funde und Bodenuntersuchungen geben Einblick in geschichtliche Entwicklungen, in Siedlungsstrukturen und das Wechselspiel zwischen Mensch und Naturraum. Das Nordfriisk Instituut beteiligt sich an der Erschließung, Herausgabe und Auswertung von Quellen und initiiert eigene Projekte auf diesem Gebiet.
Man sagt den Friesen nach, sie seien eigen; Klischees sprechen davon, wie das Meer den Charakter geformt habe, dass „der Friese“ gut rechnen könne, dafür aber nicht singen, dass Weltoffenheit, politische und geistige Freiheit hier seit jeher besonderes Gewicht hätten. Aber ist das nachweisbar? Welche Sitten und Bräuche gibt es, welche sind tatsächlich gewachsen, welche aus romantischem Geist neu erfunden, welche sind verschwunden? Wie drückt sich Identität aus? Und welche Rolle spielt Abgrenzung, innerhalb Nordfrieslands und nach außen? Und inwiefern unterscheidet sich Nordfriesland auf diesem Feld von seinen Nachbarregionen? Namen, Trachten, Heiratsbeziehungen, Formen des Feierns und Gedenkens, Erzähltraditionen und Aberglaube, aber zum Beispiel auch das Spannungsfeld zwischen Beharrungsvermögen und technischer wie gesellschaftlicher Erneuerung sind Themen, die am Nordfriisk Instituut untersucht und diskutiert werden.
Antje Arfsten, Franziska Böhmer, Claas Riecken, Christoph Schmidt
Nach der besonders verheerenden Sturmflut von 1634, der zweiten „Groten Mandränke“, riefen die Landesherren verstärkt Niederländer in die Region, um mit deren Wirtschaftskraft und Expertise im Deichbau nach und nach verlorenes Land zurückzugewinnen. Im Gegenzug ließen sich Nordfriesen, deren traditionelle Lebensgrundlage zu großen Teilen zerstört war, verstärkt auf niederländischen, später auch auf dänischen Schiffen anwerben. Es entstanden Kontakte auch nach Übersee, und vor allem im 19. Jahrhundert ließen sich viele Nordfriesen dauerhaft auf dem amerikanischen Kontinent nieder. Während der Weltwirtschaftskrise, der nationalsozialistischen Herrschaft und nach dem Zweiten Weltkrieg suchten erneut zahlreiche Nordfriesen ihr Glück in der Auswanderung oder zeitweiligen Arbeit in Übersee. Rückkehrer brachten nicht nur Geld und Welterfahrung mit, sondern auch spezielle Dinge wie den Manhattan-Cocktail, der bis heute gerne auf Föhr getrunken wird. Viele einheimische Familien in Nordfriesland pflegen bis heute verwandtschaftliche Kontakte nach Übersee.
Am Nordfriisk Instituut wird das Thema seit Jahren bearbeitet. Das Auswandererdenkmal zwischen Hauptgebäude und Nordfriisk Futuur erinnert an die große Bedeutung von Migration für die Nordfriesen, ein Thema, das gerade in den letzten Jahren wieder hochaktuell geworden ist.
Dr. Paul-Heinz Pauseback