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Feddersen und Pfannkuchen

Es war der zweite Abend des 31. Nordfriesischen Sommerinstitutes, und er war bestens besucht. Offenbar trifft die Untersuchung von Einträgen im sog. Ranzelberger Gästebuch - aktualisierend geschildert als soziales Netzwerk vor allem von Tonderaner Seminaristen - einen Nerv. Geschrieben von mehr als fünfhundert verschiedenen Personen mit jeweils eigener Handschrift, zudem in unterschiedlichen Schriftarten (vor allem deutsche und dänische Kurrent, dazu lateinische Schreibschrift), teils verblichen, teils auch durchstrichen oder überschrieben - die buchstabengetreue Transkription (überprüft im Vier -bzw. teils sogar Sechsaugenprinzip) war nicht ohne Aufwand, konnte aber dank finanzieller Unterstützung durch die Friesenstiftung im Auftrag des Nordfriisk Instituut innerhalb eines guten Jahres abgeschlossen werden.

Zahlreiche Metadaten wie Namen, Reiserouten, erkennbare Zitate, Sprachnutzung und vieles mehr wurden synchron dazu erfasst. Unter den Eintragungen, die von 1834 bis 1888 reichen, finden sich nicht nur Besucher des Lehrerseminars, die auf dem Ochsenweg zwischen Nord und Süd unterwegs waren, sondern auch Föhrer Kapitäne samt Manschaftsmitgliedern auf dem Weg von oder nach der Hafenstadt Flensburg, Viehtreiber, die mitunter gleich vor Ort verkauften, und zwei Frauen, die sich gemeinsam eingetragen haben - von Frauen handeln viele Einträge, meistens von abwesenden; aber dass Frauen anscheinend alleine unterwegs waren oder auch nur selber den Stift in die Hand bekamen, war wohl die absolute Ausnahme.

Ein besonderes Augenmerk der Forscherinnen und Forscher von der Universität Flensburg - die drei Studierenden Ilka Thomsen, Jan Momme Penning und Andre Hermann unter Leitung der Soziolinguistin Dr. Samantha Litty - lag auf der Nutzung der verschiedenen Sprachen. Die Auswertung läuft noch, aber eine erste Karte zeigte bereits regionale Eigenheiten und lässt ein Netzwerk entlang der heute deutschen und dänischen Westküste erkennen. Manche "Dialoge" wurden wechselnd in unterschiedlichen Sprachen geführt, mit der aufkommenden nationalen Spaltung politisierte sich der Jargon spätestens ab 1848 deutlich. Auch ein Repertoire bekannter Lieder lässt sich anhand von Zitaten erkennen, und akribisch identifizierte das Team einzelne Personen, was sich angesichts von Einträgen wie "Feddersen, Nordfriesland" oder sogenannter Biernamen nicht als besonders einfach erwies. Eines zeichnete sich zudem deutlich ab: Begehrteste Speise waren Pfannkuchen, Schweinebraten eher die Ausnahme, und getrunken wurden vor allem Wein und Punsch. Obwohl - im Nachgespräch beim Wein auf der Terrasse des Nordfriisk Futuur - kam dann doch noch eine Stelle ins Gedächtnis, die auch Bier erwähnt: ein Seminarist hatte zu nächtlicher Stunde die Uhr im Glas eines anderen versenkt. Vielleicht war Bier also zu alltäglich, um der Nennung wert zu sein.

Wir danken den Referentinnen und dem Referenten herzlich, wie auch der Friesenstiftung für die finanzielle Förderung dieses Forschungsprojektes und der Nord-Ostsee-Sparkasse für die Unterstützung der Reihe Sommerinstitut.

Alle Fotos: Daniela Erichsen, NFI